Ach, #Pofalla.

Der Deutungskampf um die Personalie Ronald Pofalla ist eröffnet. Einen gut dotierten Vorstandsposten soll der frühere Kanzleramtsminister also demnächst übernehmen – und von „Soll er doch!“ bis zum „Verfall politischer Sitten“ (Transparency International) sind bereits alle Positionen vertreten.

Die einen wollen dringend die Diskussion über Sperrfristen wieder befeuern, endlich angemessene Karenzzeiten für scheidende Politiker einführen. Gut und richtig – Eckart von Klaeden wäre da allerdings kürzlich das deutlich bessere focusing event gewesen.

Andere wollen generell über die Verflechtung von Politik und Wirtschaft sprechen. Über die unerträgliche Tatsache, dass unserem politischen System die Kraft fehlt, sich selbst gegen gemeinwohlschädliche Einflüsse ausreichend zu immunisieren. Knapper: dass Macht und Reichtum nun einmal „konvertierbare Währungen“[1] sind. Wenn wir aber diese überfällige Diskussion schon anlässlich der dreisten Quandt/Klatten-Großspende nicht führen wollten, warum sollten wir es ausgerechnet jetzt?

Der Kern der „Affäre Pofalla“ ist meiner Meinung nach ein anderer. Die Empörung Verwunderung ist in erster Linie deshalb so groß, weil ausgerechnet eine der größten politischen Lachnummern der jüngeren Vergangenheit nun eventuell die goldene Leiter hinaufstolpert.

„Aber er hat ja gar nichts an!“ sagte endlich ein kleines Kind. „Hört die Stimme der Unschuld!“ sagte der Vater; und der eine zischelte dem andern zu, was das Kind gesagt hatte.

„Aber er hat ja gar nichts an!“ rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn das Volk schien ihm recht zu haben, aber er dachte bei sich: ‚Nun muß ich aushalten.‘ Und die Kammerherren gingen und trugen die Schleppe, die gar nicht da war. [2]

Wenn wir uns die letzten Zeilen von „Des Kaisers neue Kleider“ vor Augen führen, welche Rolle könnte in diesem Stück wohl der Herr Pofalla besonders gut spielen?

Genau, eben jenen Kammerherren („Kammerminister für besondere Aufgaben“), der ganz dicht hinter dem Herrscher trottet, sein Haupt tief gesenkt und damit stets in Nähe des kaiserlichen Hinterteils. Der auf der anschließenden PK erklärt, er habe mit Hilfe einer offiziellen Anfrage klären können, dass sein Chef eben doch (!) Kleider trug. Sehr schöne sogar.

Um es klar und deutlich zu sagen: Ich halte Ronald Pofalla nicht für so dämlich, dass er seine absurden Erklärungen in der NSA-Affäre tatsächlich geglaubt hat. (Wahrscheinlich ist der Mann am Ende sogar überhaupt nicht dämlich.) Ich halte ihn eher für einen bemitleidenswert loyalen Parteisoldaten, der für die Interessen seiner Clique sogar die offensichtlichsten Realitäten verleugnen würde. Das ist nun mal die Rolle des Kammerherren.

Dass Ronald Pofalla diese Parteilinie im Zweifel ohnehin wichtiger ist als jeder Anschein von ehrlichem Pluralismus, hat ja bereits die berühmte Auseinandersetzung mit Wolfgang Bosbach gezeigt.

Was mich also am meisten stört: dass solche Typen es irgendwie immer wieder in wirklich spannende Positionen schaffen. Welch fatales Signal an Parteimitglieder mit abweichenden Meinungen! Im Zweifel schön abnicken, dann kommst Du schon voran. Und selbst, wenn Du Dich am Ende unfassbar lächerlich machst, die „Familie“ fängt Dich schon auf.

Es ist ekelhaft.

[1] Colin Crouch, 2011. Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus, S. 77.
[2] Hans Christian Andersen. Des Kaisers neue Kleider. http://gutenberg.spiegel.de/buch/1227/114

2 Kommentare

  1. Pingback: Pofalla und die Bahn: Der Lockruf des Geldes (bluviblog)bluviblog

Hinterlasse einen Kommentar